Stadtbahn ins Europa-Viertel

„Andreh-Feier“ & Taufe der Tunnelvortriebsmaschine - Tunnelpatin Franziska Reichenbacher tritt ihr Ehrenamt an - Bohrbeginn am Samstag, 31.8.2019.

„Glück auf!“ – Eine 80 Meter lange Tunnelvortriebsmaschine wird die Tunnel für die Verlängerung der Stadtbahnlinie U5 ins Europaviertel auffahren. Am heutigen Montag, 26. August 2019, wurde die Maschine im Rahmen einer Zeremonie in Anwesenheit des hessischen Staatsministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, Tarek Al-Wazir, Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann, Frankfurts Verkehrsdezernent Klaus Oesterling und den Geschäftsführungen der Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main (VGF), der Stadtbahn Europaviertel Projektbaugesellschaft (SBEV) sowie der Porr GmbH in Betrieb getauft. Bohrbeginn wird am Samstag, 31. Auguist 2019, sein.

Die Taufe war Teil einer im Bergbau üblichen und traditionellen Andacht, bei der Priesterin Katja Föhrenbach und Patoralreferent Harald Stuntebeck von „Pax und People, Kirche im Europaviertel“ das Vaterunser und den Segen sprachen und anschließend Fürbitten für die Bauarbeiter und ihr Vorhaben vortrugen.

Vortriebsmaschine EVA und Tunnelpatin Franziska

Die Tunnelvortriebsmaschine – in Frankfurt kommt erstmals eine Maschine dieser Art beim U-Bahnbau zum Einsatz – erhält den Namen „EVA“, der 2018 aus einem Namenswettbewerb hervorging und für „Europaviertel anbinden“ steht.

Die Tunnelpatin, deren Namen die zwei Tunnelröhren erhalten, ist die Journalistin und „Lottofee“ Franziska Reichenbacher. Nach alter Bergmannstradition ist die Tunnelpatin die irdische Stellvertreterin der heiligen Barbara, der Schutzpatronin u.a. der Bergleute und Mineure. Ihr wird von den sehr traditionsbewussten Arbeitern in diesem Gewerbe eine ganz besondere Bedeutung beigemessen. Eine zuvor von Patoralreferent Stuntebeck gesegnete Figur der Heiligen – eine in Südtirol angefertigte Holzschnitzerei, die Barbara mit ihren üblichen Symbolen, einem Turm und Büchern, zeigt – wurde in einem Schrein an der Tunnelwand platziert, vom dem aus sie in den kommenden Jahren die Arbeit „überwacht“.

Während des Vortriebs arbeiten pro Schicht acht Mineure auf der Maschine und zwölf Mineure im Bereich der Logistik. Insgesamt besteht das Team aus 60 Mineuren. „Bei den Anforderungen, die solch eine Großbaustelle mitten in der Stadt bedeutet, bleibt doch das Wichtigste: Dass bei den Bauarbeiten niemandem etwas und nichts passiert.”, so Franziska Reichenbacher. „Deshalb ‚Glück auf!‘ allen Mineuren, die in den kommenden Monaten in bis zu 25 Metern Tiefe im Frankfurter Untergrund den neuen Tunnel bauen.“

Investition in die Zukunft

Frankfurt gehört zu den Städten mit dem höchsten Pendleraufkommen in Deutschland. Dazu sagt Staatsminister Tarek Al-Wazir: „Nur mit leistungsfähigen öffentlichen Verkehrsmitteln werden wir die Mobilität im Rhein-Main-Raum sichern können. Die Verlängerung der U-Bahn ins Europaviertel ist ein wichtiger Beitrag dazu. Die 157 Millionen Euro, mit denen Bund und Land den Bau fördern, sind viel Geld, aber eine Investition in die Zukunft der Metropolregion.“

Die Verlängerung der U5 über den Hauptbahnhof hinaus wird einen wachsenden Stadtteil ans Nahverkehrsnetz der Stadt anschließen. Oberbürgermeister Peter Feldmann resümiert: "Wir haben mit dem Beschluss, das Europaviertel mit einer leistungsfähigen U-Bahn ans ÖPNV-Netz anzuschließen, 2012 eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. Nach dem Spatenstich im Spätsommer 2017 folgt mit dem Bohrbeginn durch die Tunnelvortriebsmaschine nun der nächste Meilenstein. Die Menschen, die hier wohnen und arbeiten oder dies in Zukunft tun werden, finden mit der ins Europaviertel verlängerten U5 von 2024 an ein modernes, schnelles, öffentliches Verkehrsmittel vor, wie sie das von einer Stadt wie Frankfurt erwarten dürfen."

Ausbau der U5 an beiden Enden

„Mit dem Bau der U-Bahn ins Europaviertel macht die Stadt Frankfurt am Main einen wichtigen Schritt zum Ausbau ihres leistungsfähigen U-Bahn-Netzes. Darüber hinaus beginnen wir schon jetzt mit den Planungen, die Strecke um zwei weitere Stationen bis in das künftige Wohngebiet am Römerhof zu verlängern. Auch auf der anderen Seite wird es weitergehen: Die Verlängerung der U5 von Preungesheim zum Frankfurter Berg konnte ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis nachweisen und wird schon in wenigen Jahren eine attraktive Verbindung zur S-Bahn in Richtung Bad Vilbel schaffen“, sagt Verkehrsdezernent Klaus Oesterling.

„Wenn wir Klimaschutz und eine moderne, leistungsfähige Großstadt-Mobilität zusammen bringen wollen – das haben wir bisher, werden es aber künftig mehr denn je müssen –, führt am öffentlichen Verkehr kein Weg vorbei. Und zwar am nachhaltigen, elektrischen ÖPNV, den städtische Verkehrsbetriebe in Frankfurt seit 1884 bieten. Der Ausbau des Netzes, die Instandhaltung bestehender Infrastruktur und die fortgesetzte Erneuerung und Vergrößerung des Fuhrparks sind das Kerngeschäft der VGF und unerlässliche, zukunftssichernde Aufgaben für die Stadt“, ergänzt Michael Rüffer, technischer Geschäftsführer der VGF.

 Herausforderung Tunnelbau

„Der Ausbau der U5 – und damit die Erschließung des Europaviertels mit einer U-Bahn – ist auf Jahre hinaus eines der wichtigsten Infrastruktur-Projekte in Frankfurt. Für die VGF ist es eine personelle und technische Herausforderung, der wir uns stellen und an der wir die Leistungsfähigkeit des städtischen Verkehrsunternehmens unter Beweis stellen können“, so VGF-Geschäftsführer und Arbeitsdirektor Thomas Wissgott. Und weiter: „Wenn es um die Umsetzung einer modernen und tragfähigen Verkehrspolitik geht, ist die VGF eine leistungsfähige und zuverlässige Partnerin der Stadt.“

Florian Habersack, kaufmännischer Geschäftsführer der SBEV, ergänzt mit Blick auf die Organisation des Projekts: „Ein Groß-Vorhaben wie die Verlängerung der Stadtbahnlinie 5 muss auch organisatorisch schlagkräftig aufgestellt sein, um die Komplexität des Vorhabens bewältigen und den Fokus aller Beteiligten darauf richten zu können. Und mit der Projektbaugesellschaft SBEV ist es uns gelungen, eine effiziente Einheit zu schaffen.“

 Ablauf des Projekts

Das Bauprojekt umfasst eine 2,7 Kilometer lange Strecke mit vier Stationen. Der Streckenverlauf führt von der unterirdischen Station „Güterplatz“ über eine Rampe an die Oberfläche und in der Mitte der Europa-Allee auf einem Rasengleis weiter Richtung Westen. Die Stationen „Emser Brücke", „Europagarten" und „Wohnpark" werden nach der Erstellung der Tunnel an der Oberfläche gebaut.

Die Frankfurter Tunnelvortriebsmaschine fährt zwei Tunnelröhren von je ca. 850 m Länge auf und beginnt mit der Südröhre. Dabei durchfährt „EVA“ die unterirdische „Güterplatz“ und bohrt sich ihren Weg zwischen Hohenstaufenstraße und Mainzer Landstraße bis drei Meter vor die Dichtungskonstruktion am Bestandsbauwerk unter dem Platz der Republik. Anschließend wird die Maschine in Teilen abgebaut und durch den zuvor hergestellten Tunnel an ihren Ausgangspunkt im Europa-Viertel zurückgezogen. Nach ihrem Wiederaufbau wird sie erneut auf die Reise geschickt, um auch die zweite – annähernd parallele –  Tunnelröhre zu bohren.

Die Tunnelarbeiten erstrecken sich über sieben Tage in der Woche rund um die Uhr. Die Dauer des Vortriebs beträgt rund ein Jahr. Hierzu Ingo Kühn, technischer Geschäftsführer der SBEV: „Mit der Herstellung der Startbaugrube und den Vorbereitungen des Tunnelvortriebs haben wir zusammen mit allen Beteiligten einen ganz großen und wichtigen Meilenstein im Projekt „Stadtbahn Europaviertel“ erreicht. Wir hoffen auf einen sicheren Vortrieb in den kommenden Monaten und bedanken uns bei den Anliegern für die Geduld und das Verständnis auch in den kommenden Bauphasen.“

 Tunnelvortriebsmaschine

Eine Tunnelvortriebsmaschine gleicht einer unterirdisch arbeitenden Fabrik. Vorne am Kopf befindet sich das Schneidrad. Bei der im Europaviertel eingesetzten Maschine hat es einen Durchmesser von 7,10 Metern. Vor einem ca. 9,20 Meter langen Stahlzylinder, auch Schild genannt, rotiert dieses Schneidrad und arbeitet sich mit Hilfe von rund 100 Schälmessern und Schneidrollen durch das Erdreich. Die Ortsbrust, das Erdreich im Bereich des Schneidrades, wird durch das schon abgetragene Material – den sogenannten Erdbrei – gestützt. Den Kräften von außen wird so entgegengewirkt und das unkontrollierte Einbrechen des Erdreichs verhindert. Über Förderschnecke und Förderband wird das abgetragene Erdreich aus der Maschine hinausbefördert. Direkt hinter dem Schild werden Betonsegmente, sogenannte Tübbinge, ringförmig eingebaut. Sie bilden die Tunnelwände. Am jeweils letzten Tübbingring drückt sich die Maschine mit Hilfe von hydraulischen Pressen ab. So entsteht nach und nach der Tunnel.

Umsetzung

Die Umsetzung des ambitionierten Projekts liegt in Händen einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE): der ARGE U5 Europaviertel, bestehend aus der Porr Deutschland GmbH und der Stump-Franki Spezialtiefbau GmbH. Die ARGE U5 ist verantwortlich für den Rohbau der unterirdischen Station und den Bau des unterirdischen Streckenabschnitts. „Wir haben uns für diesen Auftrag beworben, weil wir alle Facetten unserer Kompetenz und Expertise, die wir durch langjährige Erfahrung nicht nur national, sondern auch international erworben haben, einbringen konnten. Wie bei jedem anderen innerstädtischen U-Bahnprojekt stellen wir uns den speziellen Herausforderungen. Der Weg war bisher nicht einfach, aber was uns auszeichnet ist die Kompetenz, Ausdauer und Kreativität unserer Mitarbeiter, die es ermöglichte diesen Meilenstein zu erreichen”, sagte Johannes Wenkenbach, COO der Porr Group, zu der die Porr Deutschland GmbH gehört.